Kategorie Behinderung Gesundheit

Psychische und seelische Behinderung

In den Medien wird das Thema Behinderung meist plakativ und gut sichtbar dargestellt – etwa, wenn jemand im Rollstuhl sitzt oder einen Blindenlangstock verwendet. Körperliche, nach außen hin klar erkennbare Einschränkungen halten oft her als Symbol für das Thema „Behinderung“. Aber wie sieht es eigentlich mit seelischen oder psychischen Behinderungen aus?

Mann sitzt traurig am Fenster und starrt ins Freie
Meist nicht sichtbar für Außenstehende: psychische und seelische Behinderungen © Fotolia | marjan4782

Ein gängiges Vorurteil: Jemand hat eine schwerwiegende Behinderung und das Umfeld sagt wenig verständnisvoll „Das sieht man dir aber gar nicht an!“. Sehr viele Einschränkungen und Erkrankungen sind auf den ersten Blick nicht erkennbar, beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Tumorerkrankungen wie Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinsuffizienz. Auch psychische und seelische Erkrankungen sind für Außenstehende meist „unsichtbar“.

Was viele nicht wissen: Auch Menschen mit psychischen und seelischen Beeinträchtigungen haben die Möglichkeit, den Grad der Behinderung (GdB) feststellen zu lassen und entsprechende Nachteilsausgleiche zu erhalten.

Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch

Sie sind nicht sichtbar, aber weit verbreitet: Psychische und seelische Erkrankungen nehmen in Deutschland zu. So steigt beispielweise über die Jahre die Anzahl der Menschen, die sich wegen einer Depression stationär behandeln lassen. Ebenso steigen laut Statistik die Krankheitskosten durch psychische Erkrankungen immer weiter: In 2015 verursachten psychische und Verhaltensstörungen 44,4 Milliarden Euro Kosten pro Jahr – damit nehmen sie einen traurigen zweiten Platz nach den Herz- und Kreislauferkrankungen ein. Alarmierend: Etwa 75.000 Menschen müssen jährlich wegen einer psychischen Erkrankung vorzeitig in Rente gehen. Im Jahr 2016 waren psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.

Seelische und psychische Erkrankung als Ursache von Behinderung

Laut Gesetz können neben körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen auch psychische und seelische Einschränkungen eine Behinderung darstellen.

Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. (...)

Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

In Deutschland leben laut Statistik mehr als zehn Millionen Menschen mit einer Behinderung, darunter rund 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen. Als schwerbehindert gilt, wer einen anerkannten Grad der Behinderung (GdBkurz fürGrad der Behinderung) von 50 oder mehr hat. Ab einem GdBkurz fürGrad der Behinderung von 50 kann man einen Schwerbehindertenausweis erhalten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem GdBkurz fürGrad der Behinderung von mindestens 30 können unter Umständen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sein.

Wie wird eine psychische oder seelische Behinderung festgestellt?

Nicht jede psychische Erkrankung zieht eine Behinderung nach sich. Doch psychische und seelische Erkrankungen können für die Betroffenen gravierende Auswirkungen auf den Lebensalltag haben, zum Beispiel wenn es ihnen nicht mehr möglich ist, zur Arbeit zu gehen, Kontakte zu pflegen oder sich selbst zu versorgen. Motivation, Leistungs- und Kommunikationsfähigkeit und Sozialverhalten können stark eingeschränkt sein.

Zur Beurteilung der Schwere einer Behinderung wird der sogenannte Grad der Behinderung (GdBkurz fürGrad der Behinderung) herangezogen. Grundlage für die Feststellung des GdBkurz fürGrad der Behinderung ist die Externer Link:Versorgungs-Medizinverordnung (VersMedV). Sie listet Erkrankungen und Einschränkungen auf und gibt einen Anhaltspunkt, welcher GdBkurz fürGrad der Behinderung für welche Einschränkung geltend gemacht werden kann. Da bei der Beurteilung jeweils die Auswirkung einer Beeinträchtigung individuell eingeschätzt wird, sind die darin genannten GdBkurz fürGrad der Behinderung zunächst nur Anhaltswerte. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, wird ein Gesamt-GdBkurz fürGrad der Behinderung ermittelt.

In der Versorgungsmedizin-Verordnung sind in Teil B unter 3. „Nervensystem und Psyche“ unter anderem Psychosen, Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumata aufgeführt, die beispielsweise Angstzustände und Phobien, Zwangsstörungen, Depressionen und soziale Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringen können. Auch Suchtkrankheiten wie Drogen- oder Alkoholabhängigkeit und deren Auswirkungen können eine Behinderung nach sich ziehen.

Die Bewertung einer psychischen Einschränkung ist, da es sich um sehr individuelle Fälle und Leidensgeschichten handelt, nicht einfach und für die Betroffenen in der Praxis nicht immer nachvollziehbar. Die Auswirkungen und Störungen, die eine psychische Erkrankung mit sich bringt, können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Für die Beurteilung des GdBkurz fürGrad der Behinderung werden immer die Auswirkungen einer Beeinträchtigung auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft betrachtet.

Wie kann ich einen Grad der Behinderung beantragen?

Psychische oder seelische Erkrankungen können unter Umständen als Schwerbehinderung anerkannt werden. Zunächst stellt der oder die Betroffene einen Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung. Dies geschieht bei der Kommunalverwaltung oder beim Versorgungsamt. Zur Beurteilung der Beeinträchtigung wird in der Regel ein psychiatrisches Gutachten herangezogen. Der Externer Link:Sozialverband VdK berät seine Mitglieder ausführlich rund um das Thema Grad der Behinderung und hilft, falls nötig, auch beim Einlegen eines Widerspruchs gegen den Bescheid.

Liegt eine psychische Behinderung vor, kann es verschiedene Hilfen und Schritte zur Unterstützung geben, beispielsweise im Arbeitsleben in Form von präventiven Maßnahmen, Betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM), Therapie, stufenweiser Wiedereingliederung, Änderungen in der Arbeitsorganisation, Unterstützter Beschäftigung (UB) und anderes mehr. Die Datenbank REHADAT bietet dazu einige Fallbeispiele: Externer Link:Psychische Behinderung und Externer Link:Behinderung durch Sucht.